Landesschlichterin Yvonne Sachtje
Yvonne Sachtje wurde 1966 in Bochum geboren.
Werdegang
- Die studierte Sozialarbeiterin war in verschiedenen Funktionen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten tätig.
- Seit 2018 ist sie als Landesschlichterin im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen tätig.
Landeschlichtung Hintergrundinformationen
Die Institution der Landesschlichtung wurde nach dem zweiten Weltkrieg auf Grundlage des Kontrollratsgesetzes Nr. 35 vom 20. August 1946 von den damaligen Alliierten eingeführt. Hintergrund war die Überlegung der Alliierten, wie Arbeitskämpfe begrenzt oder vermieden werden können.
Die Landesschlichtung wird im Einvernehmen mit den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften vom Landeskabinett berufen und agiert in der Ausübung der Tätigkeit unabhängig.
Unbeeinflusst von den jeweiligen Mehrheiten im Land und der politischen Zugehörigkeit der Arbeitsminister in NRW, gab es in den über 70 Jahren, seit Bestehen der Landesschlichtung in NRW, bisher vier Landesschlichter*innen.
Das Aufgabenprofil des Landesschlichters bzw. der Landesschlichterin hat sich im Laufe der Jahrzehnte den veränderten Rahmenbedingungen angepasst. Während zunächst Schlichtungen bei Branchentarifauseinandersetzungen eindeutig im Vordergrund standen, hat sich die Schlichtungs- bzw. Moderationstätigkeit in den vergangenen 10 bis 15 Jahren stärker auch auf die betriebliche Ebene verlagert.
In der Aufgabenbeschreibung heißt es:
„Die Landesschlichtung wird als unparteiische und neutrale Moderator*in und Schlichter*in dann aktiv, wenn die Sozialpartner oder die Betriebsparteien dies gemeinsam wünschen.“ Die Landesschlichtung ist also ein Angebot an die Tarifvertrags- oder Betriebsparteien, die Schlichtung in Anspruch zu nehmen, wenn beide Parteien das wollen. Für die Beteiligten sind der Rat und Unterstützung der Landesschlichtung unentgeltlich.
Da das Schlichtungsergebnis am Ende die Zustimmung aller Parteien benötigt, geht es immer um eine Konfliktlösung, die von allen Seiten akzeptiert wird. Dabei ist es die Aufgabe der Schlichtung einen von allen Beteiligten als fair empfundenen Maßstab zu finden.
Landesschlichtung Aufgabenfelder
Nach dem Tarifvertragsgesetz ist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales verpflichtet, ein Tarifregister zu führen, in das der Abschluss, die Änderung und die Aufhebung der Tarifverträge, sowie der Beginn und die Beendigung der Allgemeinverbindlichkeit eingetragen werden.
Auch Nordrhein-Westfalen hat sich – ebenso wie manche anderen Bundesländer – dazu entschieden, ein Tarifregister zu führen. In diesem Tarifregister werden alle Tarifverträge erfasst, die im Land NRW gültig sind. Im Laufe eines Jahres kommen ca. 1500 Tarifverträge neu hinzu.
Aus dem Tarifregister werden Auskünfte über Tarifverträge und deren Inhalte für Bürgerinnen und Bürger erteilt und es bildet die Grundlage für arbeitsmarkt-, tarif- und strukturpolitische Analysen für ganz Nordrhein-Westfalen. Die Leitung des Tarifregisters liegt bei der Landesschlichtung von Nordrhein-Westfalen.
Die Landesschlichtung kann von den Tarifvertragsparteien im Streitfalle hinzugezogen werden. Die Tarifvertragsparteien engagieren eine Persönlichkeit,
1. die die komplexe Tariflandschaft besonders gut kennt,
2. die mit den Zielsetzungen und Empfindlichkeiten der Sozialpartner vertraut ist,
3. deren Neutralität und Fachkompetenz von beiden Tarifpartnern als Voraussetzung für erfolgreiche Schlichtungen bekannt und akzeptiert ist.
Auf eine schlichtende Moderation kann im Vorfeld von Arbeitskampfmaßnahmen oder zur Vermeidung eines dauerhaften tariflosen Zustandes zurückgegriffen werden, wenn sich die Tarifvertragsparteien nicht über den Abschluss eines neuen Tarifvertrages einigen können. Unter erfahrener Leitung werden die festgefahrenen Verhandlungen fortgesetzt. Es wird versucht, auch in bilateralen Verhandlungen mit den Sozialpartnern, einen für beide Seiten tragbaren Kompromissvorschlag zu erarbeiten. Die Schlichtungsempfehlung kann den Mitgliedern der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften als vernünftige Alternative zum sonst drohenden Streik vermittelt werden. Ein Zwang zur Annahme des Schlichtervorschlags besteht grundsätzlich nicht. Die Sozialpartner können jedoch vereinbaren, dass sie sich einem Schlichterspruch unterwerfen werden.
Bestimmte Branchen bedienen sich regelmäßig des "Instrumentes" der Landesschlichtung. In einer Reihe von in Nordrhein-Westfalen geltenden Flächen- und Firmentarifverträgen ist die Landesschlichtung als unparteiische Instanz fest benannt. Die Landesschlichtung wird dann entsprechend der jeweiligen Aufgabenstellung in ganz unterschiedlichen Fällen tätig, z.B. bei festgefahrenen Tarifverhandlungen oder wenn es um die Auslegung bestimmter tariflicher Regelungen geht (tarifliche Einigungsstellen).
Wird die Landesschlichtung einseitig von einer Tarifvertragspartei hinzugerufen, führt dies nicht selten dazu, dass es doch noch zu einer Verständigung der Sozialpartner untereinander kommt. Einvernehmliche Lösungen kommen mitunter auch im Zuge einer sogenannten "Shuttle-Diplomatie" zustande, ohne dass es gemeinsamer Schlichtungsrunden aller Beteiligten bedarf.
Tarifkonflikte bis hin zu längeren Arbeitskämpfen konnten in den vergangenen Jahren mit Hilfe der Schlichtung, unter anderem im Bau- und Baunebengewerbe, im Friseur- und Gaststättengewerbe, im Gesundheitswesen, in der Ernährungs- und Getränkeindustrie, in der Metall- und Elektroindustrie, in der Möbelindustrie, sowie im Bewachungsgewerbe und weiteren Dienstleistungsbranchen gelöst bzw. Arbeitskämpfe beendet werden.
Der Einsatz der schlichtenden Institution ist ebenfalls in einer Reihe von sogenannten Notlagen- oder Sanierungstarifverträgen verbindlich vorgesehen, z. B. wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen während der Laufzeit der betrieblichen Bündnisse für Arbeit gravierend verändern oder bei Streitigkeiten im Hinblick auf Vereinbarungen zum sog. Besserungsschein für die Belegschaft. Diese Sonder- oder Ergänzungstarifverträge sind häufig bereits mit Unterstützung durch die Schlichtung abgeschlossen worden.
Neben den Tarifvertragsparteien sitzen hier auch Geschäftsführung und Betriebsrat des beteiligten Unternehmens mit am Verhandlungstisch. Themenschwerpunkte sind in der Regel auch Anpassungen übertariflicher Regelungen und insbesondere Fragen der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung.
Die Moderation eines neutralen Außenstehenden spielt bei innerbetrieblichen Auseinandersetzungen eine immer größere Rolle. Mit dieser Methode gelingt es häufig, eine offene Konfrontation zwischen den Konfliktparteien zu vermeiden. Ob bei Umstrukturierungen, neuen Arbeitszeitregelungen, Vereinbarungen zu Weiterbildungsmöglichkeiten der Beschäftigten oder auch bei Maßnahmen zur Personalanpassung, kann die Landesschlichtung diese Veränderungen vermittelnd begleiten.
Gerade Klein- und Mittelbetriebe können so Kosten und Imageschädigungen reduzieren, wenn nicht ganz ausschließen. Denn früh genug angefragt, können mit Hilfe der Wirtschaftsmoderation einvernehmliche Lösungen gefunden werden, von denen im besten Falle beide Seiten gleichermaßen profitieren.
Auch im Nachgang begleitet die Landesschlichtung diesen manchmal sehr schwierigen Prozess, besonders dann, wenn von Zielvereinbarungen einseitig abgewichen wurde oder sich neue Konfliktfelder entwickelt haben.
Zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten ist bei Bedarf eine (betriebliche) Einigungsstelle einzurichten – § 76 Betriebsverfassungsgesetz. Auch durch Betriebsvereinbarungen kann deren dauerhafte Einrichtung festgeschrieben werden.
Der unparteiische Vorsitz, auf den sich beide Seiten verständigt haben, unterstützt im Konfliktfall eine Verständigung und die Erarbeitung eines tragfähigen Kompromisses. Diese Aufgabe kann nach Absprache grundsätzlich auch der/die Landesschlichter*in übernehmen.
Für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen, mit Gültigkeit für Nordrhein-Westfalen, gibt es gem. § 5 Tarifvertragsgesetz einen Tarifausschuss beim Arbeitsministerium des Landes Nordrhein- Westfalen. Den Vorsitz führt der/die Landesschlichter*in.
Der/Die Landesschlichter/in leitet den Ausschuss für die Feststellung der Repräsentativität der Tarifverträge. Der beratende Ausschuss ist paritätisch besetzt. Der/Die Landesschlichter*in hat kein Stimmrecht.
Der beratende Ausschuss für die Feststellung der Repräsentativität der Tarifverträge stellt fest, welche Tarifverträge im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs repräsentativ sind und gibt hierüber eine Empfehlung ab.
Die nordrhein-westfälische Landesregierung bezieht die Gewerkschaften bei Maßnahmen der regionalen Wirtschaftsförderung mit ein. Entsprechend der Förderrichtlinien werden bei Anträgen auf regionale Wirtschaftsförderung auch Stellungnahmen der Gewerkschaften eingeholt. Sie werden befragt, ob die Unternehmen, denen Investitionszuschüsse gewährt und für die Landesbürgschaften übernommen werden sollen, die rechtsverbindlichen Vorschriften zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beachten.
Werden Bedenken formuliert, so finden unter Leitung der Landesschlichtung Vermittlungsgespräche statt, in denen die Einwände der Gewerkschaften meistens ausgeräumt werden können. Beispielsweise dadurch, dass Informationsdefizite ausgeglichen, gegebenenfalls Verabredungen zu tarifrechtlichen Regelungen getroffen oder die Bildung eines Betriebsrates erörtert bzw. verabredet werden.
Diese für Nordrhein-Westfalen spezifische Regelung hat sich bewährt. Öffentlich geförderte Betriebe halten die rechtsverbindlichen Arbeitsschutzbestimmungen ein und strukturpolitische Maßnahmen erfahren die höchstmögliche Akzeptanz. Das erhöht sowohl die Attraktivität des Standorts Nordrhein-Westfalen als auch die Bereitschaft, Veränderungsprozesse aktiv mitzugestalten.